Aus dem Leben des Bierkutschers Adam Wolff –
eine kurze Biographie, dargestellt von seinem Urenkel
Am 11. April 1963 starb in seinem Wohnhause in Mannheim-Wallstadt der am 17. Januar 1880 in Mannheim, S 6, geborene Adam Wolff. Er war das erste Kind des Landwirtes Peter Michael Wolff und seiner Ehefrau Anna Maria Rupp, die aus Feudenheim stammte.
Über seine frühe Kindheit ist nichts bekannt. Bis zum frühen Tod der Mutter 1890 lebte er mit zwei weiteren Geschwistern im elterlichen Hause in Mannheim. Da sich der Vater außerstande sah als Witwer seine Kinder zu betreuen, gab er diese zu Verwandten in Pflege.
Der zehnjährige Adam kam als Halbwaise damals nach Feudenheim in das Anwesen des Landwirts Heinrich Will, der mit der Schwester von Adams Mutter verheiratet war und wurde dort weiter erzogen. Früh musste er dort in der Landwirtschaft mithelfen und wurde hier wie ein Dienstknecht gehalten.
Von dieser Zeit her rührte schon sein Umgang und die Liebe zu Pferden, den er bis ins hohe Alter pflegte. Die Überlieferung weiß, dass er im Frühjahr 1955, also im Alter von 75 Jahren noch sämtliche Äcker eines entfernten Verwandten in Wallstadt mit Pferd und Handpflug bearbeitet hatte.
Nach erfolgter Konfirmation und Schulentlassung im Jahre 1894 war er Dienstknecht im Hause von Nikolaus Krämer, dem damaligen Wirt „zur Eintracht” in Feudenheim, der mit seiner Cousine verheiratet war. Hier war er einige Jahre in Stellung bis er seine Militärzeit antreten konnte.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ergab sich dann die Möglichkeit bei der Badischen Brauerei in Mannheim arbeiten zu können und zwar als Bierkutscher. Auf dem großen Bild, das 1912 im Hofe der Brauerei aufgenommen wurde, ist er mit Kollegen am rechten Bildrand zu sehen.
Quelle: Stadtarchiv Mannheim, Sammlung Albrecht, Album J 1439
Mit 26 Jahren heiratete er im Mai 1906 die älteste Tochter der Schäfers und Landwirtes Johann Abraham Schollmeier aus Wallstadt, wohin er dann auch übersiedelte. Verbürgt durch mündliche Überlieferung ist der Ausspruch des evangelischen Geistlichen bei der Trauung „dass sich heute der Wolf in Wallstadt ein Schäfchen genommen habe“, womit auf die Herkunft der Braut als Schäferstochter angespielt werden sollte. Der Ehe mit Margareta Schollmeier entstammten zwei Töchter, die jüngere davon sollte die Großmutter des Verfassers dieser Biographie werden. Deren Kindheits- und Jugenderinnerungen ermöglichen es mir heute (2023) das Leben von Adam Wolff noch so detailliert schildern zu können.
Der Berufsalltag war hart, denn um zur Arbeit nach Mannheim in die Badische Brauerei zu kommen musste mein Urgroßvater zunächst zu Fuß nach Feudenheim laufen, um von hier mit der dortigen Dampfbahn nach Mannheim fahren zu können. In der Brauerei selbst waren dann zunächst einmal die schweren Kaltblüter-Brauereipferde zu versorgen, zu striegeln und anzuschirren. Danach musste der Wagen mit den gefüllten Holzfässern beladen werden. In einem besonderen Behältnis wurde zusätzlich das in der Brauerei selbst hergestellte Stangeneis mitgeführt, das zum Kühlen der Fässer in den belieferten Gaststätten diente.
Ein zum Abladen dieser Stangen gebräuchlicher Eishaken hat sich bis heute in der Familie erhalten und war bis vor einigen Jahren neben einem Originalbierkrug aus der Badischen Brauerei Mannheim ein in der Familie gehütetes Andenken an die Zeit vor dem ersten Weltkrieg. Der Verfasser hat diesen dem heutigen rührigen Besitzer, Jürgen Herrmann überlassen, weil er dieses Erbstück damit in noch besseren Händen und zudem an seinem ursprünglichen Herkunftsort bestens wertgeschätzt weiß.
Adam Wolff hatte sich in dieser Zeit durch das Heben der schweren Lasten einen Leistenbruch zugezogen, der jedoch nie operiert wurde; deshalb hatte er dann aber zeitlebens ein so genanntes Bruchband tragen müssen. Kurz vor dem ersten Weltkrieg zog er mit seiner kleinen Familie in das Elternhaus seiner Frau, das Schollmeiersche Anwesen, am Rathausplatz in Wallstadt.
Dieses alte Bauernhaus ist das letzte existierende authentische Exemplar eines Wallstadter Bauernhauses aus der Zeit um 1800 mit eineinhalb Stockwerken und dem hier üblichen Krüppelwalmgiebel zur Straße hin.
Da die Schwiegereltern kränkelten, sollte Adam Wolff die Landwirtschaft, in der er selbstverständlich ohnehin schon nach Feierabend mitarbeitete, einmal übernehmen. Bis zum Kriegsausbruch blieb er jedoch noch bei der Badischen Brauerei beschäftigt.
Kurz nach Kriegsbeginn musste er einrücken und wurde beim Vorrücken im Elsass gefangen genommen. Die Franzosen verfrachteten ihn mit anderen Gefangenen nach Marseille, von wo die Deutschen nach Korsika gebracht wurden, um dort in den Steinbrüchen Zwangsarbeit zu leisten. Da Adam Wolff sich auch hier als versierter Fuhrmann erwies, musste er dort das in den Steinbrüchen gewonnene Material mit Hilfe von Maultieren weiter transportieren und nur knapp entging er dem Tod, als er einmal bei einer dieser Fuhren mit Wagen und Gespann in den Abgrund rutschte.
Ende 1918 wurde er aus der Kriegsgefangenschaft entlassen und durfte heimkehren; aber zeitlebens hat er von der Mittelmeerinsel erzählt, denn es war das einzige Mal in seinem Leben, dass er (unfreiwillig) fremde Lande hatte sehen können. Auf Korsika hatte er sich allerdings eine Malariaerkrankung zugezogen mit regelmäßig wiederkehrenden, schweren Fieberschüben. Dieser Tatsache wegen und auch weil er keinen männlichen Erben hatte, verzichtete er 1919 auf die Übernahme des landwirtschaftlichen Betriebes der inzwischen verstorbenen Schwiegereltern und tauschte mit seinem Schwager das Haus, das dieser 1905 in der damaligen Schulzengasse, vorm. Viernheimer Weg, erworben hatte und lebte dort mit seiner Familie bis zu seinem Tode.
Beruflich war er bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1945 bei der Zellstoff-Fabrik Waldhof tätig; er betrieb jedoch bis zum Ende der fünfziger Jahre des 20.Jahrhunderts eine Nebenerwerbslandwirtschaft mit Viehhaltung und Ackerbau zur Selbstversorgung.
Seine Frau, die im Jahre 1935 bereits starb, überlebte er um fast dreißig Jahre und er sorgte in den schweren Zeiten des zweiten Weltkrieges und den Hungerjahren danach für die beiden Familien seiner erwachsenen Töchter, die alle bei ihm im Hause wohnten. Als er im April 1963 hochbetagt nach kurzer Krankheit starb, hinterließ er neben seinen beiden Töchtern fünf Enkel und zwei Urenkel.
Heute nun werde ich fast täglich an ihn erinnert, zum einen, weil ich sein Anwesen bewohne, zum anderen, weil ich mich an vielen Dingen freuen kann, die er schon benutzte und in Gebrauch hatte und zu denen fast ausnahmslos auch eine mündlich überlieferte Geschichte existiert. Und so bin ich auch der Aufforderung meines lieben Bekannten, Jürgen Herrmann, gerne nachgekommen diese Biographie über meinen Urgroßvater zu verfassen, damit die Geschichte der Badischen Brauerei aus gegebenem freudigem Anlass durch die Schilderung eines mit ihr verbundenen Lebens Bereicherung erfährt.
Mit guten Wünschen für das weitere Fortbestehen dieses markanten Mannheimer Geschichtszeugnisses und Architekturdenkmals „Badische Brauerei Mannheim”!
gez. Stefan Michael Alles – 2023